Wir sind unterwegs, sind Auf dem Weg: Ob tatsächlich auf einer Wanderung oder nicht, ob im Alltag in Beruf, Familie, Freundeskreis und Freizeit. Wir sind auf dem Weg. Auch im Glauben sind wir unterwegs. Wir gehen weiter, können nicht bleiben, wo wir sind, dürfen und müssen uns weiterentwickeln. Auf diesem Weg sind wir zugleich eingeladen und herausgefordert, unterwegs zu Hause zu sein. So habe ich es heute vor einer Woche formuliert.
Unterwegs zu Hause sein kann ich in Beziehungen, mit anderen Menschen und mit Gott. Ich bin auf dem Weg nicht allein, sondern lebe in Beziehung. In der Kommunikation, indem ich gehört, gesehen und angesprochen werde, finde ich Geborgenheit. So kann ich unterwegs zu Hause sein.
„In jener Zeit kam es nur noch selten vor, dass der Herr zu einem Menschen sprach und ihm etwas offenbarte.“ So stellt das 1. Samuelbuch fest: Gott zog sich zurück. Er schwieg. Und vielen fiel das nicht einmal auf. Sie wussten nichts mehr davon, wie wichtig Gottes Reden für das Gelingen ihres Lebens gewesen wäre.
Und heute? Wir hören viele Stimmen. Auch viele laute und gewaltige Stimmen. Und Gottes Stimme? Er scheint oft zu schweigen. Oder seine Stimme wird übertönt, weil er leise redet. Dabei wäre es doch so wichtig, dass Gott gehört wird! Auf ihn selbst, nicht auf sein Bodenpersonal. Müsste er uns nicht den Weg weisen können zu einem besseren Mit- und Füreinander? Hätte er nicht sehr viel zu sagen zu Krisen und Konflikten, zu Katastrophen und zum Siegeszug des Egoismus? Doch Gottes Stimme ist kaum zu hören. Auch in Kirchen und Gemeinden ist es seltener, als wir uns wünschen. – So kommt es, dass unter Christen immer wieder ‚‘hörendes Gebet‘ gefordert, propagiert und gefördert wird. Es sei wichtig, mehr, intensiver, engagierter auf Gott zu hören.
Das sehe ich auch so. Auf Gott hören ist wichtig und kommt oft zu kurz. Dennoch habe ich auch meine Fragen, wenn ‚hörendes Gebet‘ oder ein bestimmtes Vorgehen beim ‚hörenden Gebet‘ zur Methode erhoben wird. Es klingt mir zu einfach, zu sehr nach Rezept. Schliesslich kann niemand mit Zuhören Gott zum Reden zwingen. Und wenn er schweigt, sagt auch das etwas.
in einem meiner liebsten Segenssprüche heisst es: „Der Gott, der Frieden schafft und Frieden gibt, rüste euch aus mit allen guten Kräften, die ihr braucht, seinen Willen zu erfüllen. Er wirke in euch, was ihm selbst gefällt.“ – ChristInnen reden ja immer wieder vom Willen Gottes und davon, wie wichtig es sei, danach zu leben. Wir beten auch Sonntag für Sonntag: „Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden!“ Doch so einfach ist das ja nicht mit dem Willen Gottes! Auch wenn uns z.B. von den zehn Geboten und vom Doppelgebot der Liebe her grundsätzlich klar sein müsste, was Gott will: In der konkreten Situation kann es dann doch schwierig sein: Im Blick auf den Nahostkonflikt z.B.: Bedeutet ‚fest an der Seite Israels zu stehen‘ (wie es gerade in christlichen Kreisen oft und z.T. lautstark gefordert wird) automatisch, ein Gegner Palästinas sein zu müssen?
wissen Sie, was das ist? – Das ist ein Pharisäer. Jedenfalls kriegt man so etwas vorgesetzt, wenn man im Norden Deutschlands im Restaurant einen Pharisäer bestellt. Bei uns würde man es wohl Café mélange nennen …. jedenfalls bis zum ersten Schluck. Danach müsste man wohl noch einmal über die Bücher. Denn es ist kein gewöhnlicher Kaffee. Unter der Sahnehaube versteckt sich vielmehr Kaffee und Rum im Verhältnis 1:1! Es heisst, die Friesen hätten früher mit diesem Getränk gerne Pastoren und andere strenge Personen irre geführt. Die Sahnehaube verhindert nämlich, dass man den hochprozentigen Zusatz riecht. Der Pastor, dessen Tasse genau gleich aussah, aber eben keinen Rum enthielt, schöpfte so keinen Verdacht und stellte keine unangenehmen Fragen. Und weil dieses Getränk eben nicht ist, was es zu sein vorgibt, gab man ihm den Namen Pharisäer.
Schliesslich gelten die Pharisäer als sprichwörtliche Heuchler. Die Bezeichnung ist ein Schimpfwort. Das war sie übrigens schon zu ntl Zeiten. ‘Pharisäer’ war schon damals keine Selbstbezeichnung. Die damit gemeinte jüdische Gruppe bezeichnete sich selbst als ‘chaverim’ = ‘Freunde (der Schrift). – Als war es schon damals wie noch heute: ‘Pharisäer’ ist man nie selber. Das sind immer die anderen.
manchmal fehlen die Worte. Es verschlägt uns die Sprache, wenn wir Nachrichten aus Kriegsgebieten lesen, von Naturkatastrophen hören oder tragische persönliche Schicksale erzählt bekommen. Wie gerne würde man gerade dann etwas Sinnvolles, Tröstliches sagen. Doch das will nicht gehen. Und dann flüchtet man sich in Floskeln. Z.B.: «Es kommen auch wieder bessere Tage!» Oder sogar: «Alles wird gut!» Dabei fühlen wir: Es ist alles andere als gut!
Ein Beispiel dazu. Es ist unterdessen viele Jahre her: Ein Jungscharleiter, noch keine 20 Jahre alt, verunglückte tödlich. Ein Automobilist hatte ihn auf seinem Velo übersehen und überfahren. Im Gemeindebrief war dann zu lesen: Es hat Gott gefallen, XY zu sich zu rufen. Das löste Empörung und Widerspruch aus: Es kann doch Gott nicht gefallen, wenn ein hoffnungsvolles Leben brutal kaputt gemacht wird. – Eben: Manchmal gibt es keine angemessenen Worte. Gut gemeinte Versuche, dennoch etwas zu formulieren, machen die Sache dann nur schlimmer. – Zwar steht in der Bibel z.B. «Wir wissen, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen» (Röm 8,28). Aber so etwas kann man Trauernden nicht zusprechen. Genauso wie es bestenfalls hilflos wirkt, jemanden mit einer frischen Krebsdiagnose zu trösten mit: «Alles wird gut!»
Predigt am 14.05.2023 in der EMK Adliswil ; nach eine Vorlage von Pfrn. Claudia Kook auf predigtpreis.de
Liebe Gemeinde,
eine Frau – nennen wir sie Rahel — steht in der grossen, alten Kirche ihrer Kindheit. Sie steht nur da und nimmt die Atmosphäre in sich auf: Den Geruch. Das schummrige Licht. Unter der mächtigen Empore schaut sie zuerst nach vorne, zu den farbigen Fenstern im Chor. Dann wandern ihre Augen zur Seite. Noch immer steht da eine Stellwand, wie schon damals, als sie noch ein Kind war. Rahel hatte sie kleiner und wackliger in Erinnerung. Inzwischen ist sie stabiler gebaut. Es hängen viele Zettel hängen daran. Viele Farben und Formen. Wild durcheinander. Manche zusammengefaltet. Andere offen mit großer Handschrift: „Gott hilf mir!!!“ steht auf einem, mit drei Ausrufezeichen dahinter. „Danke, dass es geklappt hat, lieber Gott“, kann sie auf einem anderen lesen. Und: „Mach, dass Papa wieder heim kommt“. Sie geht näher zur Gebetswand und liest die vielen Gebete, die BesucherInnen hier angepinnt haben. Sehr viele Menschen scheinen die Möglichkeit zu nützen. Manche waren dabei glücklich, andere traurig, besorgt oder gar verzweifelt. Doch niemand ohne Hoffnung. Alle ZettelschreiberInnen gingen davon aus, dass ihre Gebete nicht vergeblich sind. „Vor allen Dingen,“ liest die Frau die Überschrift ganz oben: „Vor allen Dingen tue Bitte, Gebet, Fürbitte und Danksagung für alle Menschen!“
Im Zusammenhang mit dem ultimativen Corona-Stopp denke ich oft an Niklaus von Flüe. Vor 550 Jahren hat er sich als Einsiedler in die Ranft Schlucht zurückgezogen und dort ein intensives Gebets-Leben geführt. Sein bekanntestes Gebet sagt in Kürze mehr aus als viele theologische Bücher:
„Mein Herr und mein Gott, nimm alles von mir, was mich hindert zu dir.“
von Pfr. Robert Seitz; aus seinem Buch: ‘So weit der Himmel ist — Horizont-Erweiterungen’, S. 182
Es ging ein Mensch in die Kirche, um seinem Gott nahe zu sein. Er bezeichnete sich selber als einen Gläubigen. In seinem Auftreten war er ein lebendiger Vorwurf für die Ungläubigen um ihn herum. Er stand da in der Kirche und lobte seinen Gott mit erhobenen Armen. Mit seinen Liedern erhob er ihn zum Sieger über alle seine Feinde. Er fühlte sich entrückt in die Gegenwart des Allmächtigen und ohne dass er es wusste, kreiste er wie ein Planet um sich selber. Die Engel aber waren in Sorge und flüsterten einander zu: “Wenn er doch nur etwas weniger das Wort ich gebrauchen würde! Hat nicht unser Erlöser Christus im Gebet, das er uns lehrte, dieses Wort kein einziges Mal gebraucht?”
Aber der Mensch betete weiter und sagte: “Ich danke dir, Gott, dass ich näher bei dir bin. Ich bin kein Einbrecher und homosexuell bin ich auch nicht. Ich bin kein Sozialbezüger. sondern ich arbeite. Ich faste zweimal die Woche mit etwas Obst und esse Knoblauch. Ich bin darum gesünder geblieben als andere Leute. Ich gebe von meinem Einkommen ungefähr den Zehnten für gute Zwecke und ich nehme keine Kleinkredite auf.”
Und während er betete, hielten sich die Engel ihre Ohren zu und sagten zueinander: „Jetzt hat er schon wieder zehn Mal ich gesagt.“ Und Gabriel schlug vor: “Dieses Gebet übertragen wir nicht an höchste Stelle.”
Und ein Armer stand da und hatte nur seine innere Armut. Stationen aus seinem Leben tauchten auf in seinem Gedächtnis. Und er brachte die Worte kaum hörbar über seine Lippen: “Gott, deine Liebe ist meine letzte Rettung. Sieh meine Armut und nimm mich an.“ Und die Engel waren sich einig: “Das übertragen wir mit Freude live.”
Ja, ich weiss: Über vorformulierte Gebete kann man streiten. Viele mögen es, sich die Worte anderer leihen, ja sich in sie hineinlegen zu können. Das hilft, wenn eigene Formulierungen nicht zu finden sind, vielleicht sogar, weil es einem im Moment schlicht die Sprache verschlagen hat. Andere bemängeln die fehlende Spontaneität beim Beten fester Formulierungen. Sie empfinden es als unecht, im Gebet anderen nachzuplappern. Ausserdem kennen alle die Schwierigkeiten, beim Rezitieren auswendig gelernter Gebete mit den Gedanken ganz bei der Sache zu bleiben. Ganz besonders treten diese beim Unservater auf, dem zweifellos am häufigsten gesprochenen christlichen Gebet.
Auf den ersten Blick scheinen in der Bibel alle Kranken gesund und alle Gebete erhört zu werden. Wie geht man damit um, wenn man selbst krank ist und bleibt oder wenn trotz starkem Ringen im Gebet persönliche Herzensanliegen unerfüllt bleiben?„Warten auf Erhörung“ weiterlesen