sie hätten es wissen können … und waren doch überhaupt nicht darauf gefasst. Jesus hatte seinen JüngerInnen seine Auferstehung angekündigt. Dennoch konnten sie die Osterbotschaft nicht fassen. Die Begegnung mit Engeln und die Nachricht, dass Jesus am Leben sei, hat sie erst einmal zu Tode erschreckt. Mindestens verwirrt, eher sogar verstört und panisch reagierten sie auf diese Situation, die sie nicht einordnen konnten. Deutliche Spuren dieses Schreckens zeigt der wohl älteste Osterbericht in den Evangelien in Markus 16,1–8:
Karfreitagsgottesdienst am 29.03.2024 in der EMK Adliswil
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Leidensankündigung danach erklärte Jesus seinen Jüngern zum ersten Mal, was Gott mit ihm vorhatte: »Der Menschensohn wird viel leiden müssen. Die Ratsältesten, die führenden Priester und die Schriftgelehrten werden ihn als Verbrecher behandeln. Sie werden ihn hinrichten lassen, aber nach drei Tagen wird er vom Tod auferstehen.« Das sagte er ihnen ganz offen. Da nahm Petrus ihn zur Seite und fing an, ihm das auszureden. Aber Jesus drehte sich um, sah seine Jünger an und wies Petrus streng zurecht. (Mk 8,31–33a
“Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken“ Ich verstehe Petrus gut: Jesus darf den Weg nicht so gehen, wie er es hier – schon weit im Voraus – ankündigt. Das wäre mehr als eine Niederlage. Das bedeutete die Kapitulation. Das ist ein Nogo. Man darf die Mächte des Bösen nicht gewähren lassen! Man muss doch für das Gute kämpfen. Man muss sich wehren und falschen Tendenzen Einhalt gebieten. Dass Jesus stirbt, das darf nicht sein. – Es ist wirklich so: Auf die Idee, das Böse und alle Schuld der Welt in der Niederlage, auf einem Weg des Leidens und Sterbens zu besiegen … auf diese Idee wäre kein Mensch je gekommen. Das ist kein menschlicher, sondern ein göttlicher Gedanke. Es ist, wie schon im AT ein Prophet im Namen Gottes formulierte: “Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken und meine Wege sind nicht eure Wege!” – Mehr als für alles andere gilt das für den Weg, den Jesus in seiner Passion zur Erlösung der Vielen ging. Ich hätte wie Petrus auch versucht, Jesus die Idee auszureden und wäre überzeugt gewesen, dass er falsch liegt … und hätte mich gerade darin schuldig gemacht.
ganz am Anfang haben wir gehört: „Seid bescheiden und achtet den Bruder/die Schwester mehr als euch selbst“. Wir haben gesungen: „Dient freudig dem Herrn!“ Was wir aber in unserer Zeit sehen, hören und lesen, ist etwas ganz anderes: Gedient wird, wenn überhaupt, dem Profit, der Macht, dem eigenen Vorteil. Bescheidenheit ist nicht in. Man präsentiert sich: Gross, stark, schön, cool. Man will gross herauskommen. Reich werden, auch auf Kosten anderer. Macht und Einfluss haben und ausüben. Wer die Hebel der Macht erreicht, lässt sie nicht mehr los und nutzt sie für eigene Ziele. Koste es, was es wolle. – Kein Wunder, dass von Gefährdung der Demokratie die Rede ist. Populisten geben sich zwar demokratisch, verfolgen aber ihre Ziele … und nicht die des Volkes, in dessen Namen sie angeblich reden. Die Tendenz zu autokratischen Regierungsformen wird immer stärker. Militär- und Polizeibudgets werden rund um den Globus massiv aufgestockt, angeblich im Namen der Sicherheit, oft aber, um die Mächtigen zu stützen. Das Recht des Stärkeren scheint kaum mehr hinterfragt zu sein. Es gilt militärisch, politisch, wirtschaftlich: Wer die Macht hat, diktiert und gewinnt. – Das macht mir Sorgen. In was für einer Welt leben wir denn?
seit Jahresbeginn beschäftigen wir uns in den Gottesdiensten mit den Werten unserer Kirche/Gemeinde. Die bisher vier Predigten drehten sich um die Frage: Wie können, sollen und wollen wir Gemeinde sein? Im SLI-Prozess des BeVo haben wir als Antwort vier Werte formuliert. Nämlich, dass wir erstens ein inklusives, d.h. offenes und integrierendes Miteinander leben wollen. Zweitens soll der dreieinige Gott Mittel- und Ausgangspunkt unserer Gemeinde sein. Als Drittes wollen wir unsere Gemeinschaft tragend, grosszügig und befähigend gestalten. Und schliesslich viertens: Wir nehmen uns vor, immer wieder mutig Schritte vorwärts zu gehen.
Die Predigtreihe kommt heute zu ihrem vorläufigen Abschluss. Vorläufig, weil uns die Werte immer wieder beschäftigen sollten. Schliesslich nützen schöne Formulierungen wenig, wenn wir nicht immer wieder überprüfen, ob wir auch tatsächlich leben (umsetzen), was wir wollen.
Mutig vorwärts gehen heisst heute das Thema. Wenn wir in einer Turnhalle wären, wenn wir unsere Muskeln aufgewärmt hätten, könnten wir das Thema spielerisch angehen: Sich mit geschlossenen Augen in die Arme anderer fallen lassen, die Kletterstange hoch gehen (davor hatte ich lange grosse Angst), vom Trampolin über ein Hindernis auf eine Matte springen …
Das schenken wir uns. Aber ganz ohne Mutprobe geht es nicht heute. Sie sehen es am Mikrophon in meiner Hand. Ich will ein paar Stimmen einfangen zu den Fragen:
zum dritten Mal beschäftigen wir uns heute mit den Werten unserer Kirche / Gemeinde. Zuerst ging es um Inklusion = Einschliesslichkeit. Dann beschäftigten wir uns letzten Sonntag damit, dass der dreieinige Gott Mittel- und Ausgangspunkt der Gemeinde sein und bleiben müsse. Heute nun geht es um das Wesen der kirchlichen Gemeinschaft. Sie soll tragend, grosszügig und befähigend sein.
Beginnen wir mit den Wörtern Kirche und Gemeinde. Im Griechischen steht hinter Kirche der Begriff ‚Ekklesia‘. Es leitet sich von einem Verb ab, das ‚herausrufen‘ bedeutet. Die Kirche ist demnach die Versammlung oder Gemeinschaft der Herausgerufenen ( … aus der Einsamkeit in die Gemeinschaft; aus der Dunkelheit ins Licht; aus der Gottferne (‚Sünde‘) in die Beziehung zu Gott). Im Deutschen ist ‚Kirche‘ wohl aus einem anderen griechischen Wort entstanden (kurikon bzw. kuriakon). Es bezeichnet, ‚was zum Herrn gehört‘. Kirche bilden also diejenigen, die zum Herrn gehören. Oder, beides zusammenfassend: Kirche ist die Gemeinschaft der in die Gotteskindschaft Berufenen.
Beim Begriff ‚Gemeinde‘ ist die Herleitung einfacher. Das Wort kommt von Gemeinschaft. Im Griechischen ist das ‚Koinonia‘, auf Lateinisch ist es ‚Communio‘. In den Paulusbriefen wird es zu einem ganz zentralen Begriff. Er bezeichnet das Miteinander derer, die in einer Beziehung mit Christus leben. Dieses Miteinander bzw. diese Gemeinschaft ist notabene durch Gottes schöpferisches Wirken begründet und geschaffen. Sie ist eine Neuschöpfung oder wenigstens die Wiederherstellung der ursprünglichen Gemeinschaft (im Paradies) von Menschen untereinander – und zusammen mit Gott.
in einem katholischen Kindergarten soll sich Folgendes zugetragen haben: Es ist Morgen. Die Schwester Kindergärtnerin ist gerade dabei, die Kinder im Kreis zu sammeln und wartet, bis die Letzten auch noch still sind. Da sieht sie draussen vor dem Fenster ein Eichhörnchen über den Spielplatz springen und im Baum verschwinden. Es geht ganz schnell und von den Kindern hat keines etwas bemerkt. Sie macht also ein kleines Rätsel und sagt zu den Kindern: „Wisst Ihr was? Ich habe gerade etwas ganz Tolles gesehen. Klein, braun, schnell. Mit einem grossen, buschigen Schwanz. Was war das wohl?“ Die Kinder machen grosse Augen. Aber keines sagt etwas. „Ach kommt. Das wisst ihr! Ein Tier, das gut klettern und hüpfen kann!“ Da meldet sich dann doch einer und meint: „Na ja. Ich würde ja sagen, dass es ein Eichhörnchen war. Aber so, wie ich den Laden hier kenne, muss es wohl etwas mit dem Jesuskind zu tun haben!“
Damit hat er es zwar auf die Spitze getrieben. Aber ganz falsch liegt er dennoch nicht. In der Kirche hat alles mit Jesus zu tun oder wird zu ihm in Bezug gebracht. Das Eichhörnchen bleibt natürlich ein Eichhörnchen. Aber wir wissen, dass auch es von Gott geschaffen ist und wie alle Geschöpfe entsprechenden Respekt verdient. Albert Schweitzer z.B. hat von der nötigen Ehrfurcht vor allem Leben gesprochen.
wie sollten wir Kirche/Gemeinde sein? Wie wollen wir Kirche/Gemeinde sein? Und: Wie können wir Kirche/Gemeinde sein? – Damit beschäftigen wir uns intensiv im SLI-Prozess. In den nächsten fünf Predigten (inkl. heute) geht es genau darum: Wie sollen, wollen und können wir Kirche/Gemeinde sein?
Wichtig dabei ist: Ich trage nicht fertige Ergebnisse vor. Das Nachdenken ist im SLI-Team nicht abgeschlossen. Es muss immer weitergehen. Unser Wunsch ist aber: Die ganze Gemeinde, jede® einzelne soll mitdenken können. In diesem Sinne hoffe ich mit dieser Predigtreihe dazu beizutragen, dass alle sich einbringen können. Entsprechend hoffe ich auch auf Feedbacks und Rückfragen. Wir alle, die wir im SLI-Prozess mitmachen, reden sehr gerne mit allen über unsere Gemeinde/unseren Bezirk. Ausserdem verweise ich bei dieser Gelegenheit auch gerne auf die Kommentarfunktion meines BLOGs www.danieleschbach.ch. Dort sind nicht nur alle Predigten nachzulesen. Es können auch Kommentare dazu gepostet werden.
in seinem Jahresrückblick zählt der Tagesanzeiger 20 Dinge auf, die 2023 zum ersten Mal passiert sind. Darunter gibt es Positives. Aber hängen bleiben vor allem die Katastrophenschlagzeilen: Wetterrekorde, die zeigen, dass der Klimawandel in vollem Gang ist. Und das kaum gebremst. Der Zusammenbruch der CH-Superbank Credit Suisse. Der demographische Wandel: Erstmals gibt es mehr als 100‘000 65-jährige in der CH. Und das sind 14‘500 mehr als 20jährige. Der Vormarsch von Rechtspopulisten in der westlichen Welt. Die KI hat den Sprung in den Alltag geschafft, was womöglich grosse Risiken birgt ….
Dazu kommen viele weitere schlechte Nachrichten: Kriege. Naturkatastrophen. Signale, dass die Gesellschaft am Auseinanderbrechen sein könnte. Wer sich das alles bewusst macht, braucht Kraft, es auszuhalten. Zuversicht wird zur Herausforderung. Gesucht sind Quellen der Hoffnung. Dabei flüchten sich manche in verklärende Nostalgie. Sie schwärmen dann vor guten alten, vermeintlich besseren Zeit. Andere flüchten in die Zukunft. Sie heben geradezu ab und verlieren sich in Visionen z.B. über die Eroberung neuer Lebensräume im Weltraum. Dazwischen suchen manche, u.a. Christen, Hoffnung zu wecken und zu begründen. Das ist schliesslich eine Hauptaufgabe von ChristInnen/Kirchen: Wir sind ExpertInnen der Hoffnung. Dazu sind wir nicht nur ausgesandt, sondern auch begabt. – Aber das ist schwierig heute. Wer anderen Hoffnung machen will, braucht zuerst eine gute Verwurzelung der eigenen Zuversicht. Muss selbst Hoffnung haben! Aber wie und woher? Was lässt uns angesichts von lauter Katastrophen und Problemen hoffen?
Gehalten am 25.12.2023 (Weihnachten) in der EMK Adliswil
Liebe Gemeinde,
die Engel singen: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen“. Das ist so ein Moment, in dem alles stimmt. Gott ist nicht hinterfragt. Er bekommt die Ehre, die ihm zusteht. Und das bewirkt mindestens eine friedliche Stimmung, wenn nicht sogar mehr bei denen, die zuhören, unten auf der Erde. Doch solche perfekten Momente sind flüchtig. Der nächste Satz in der Weihnachtsgeschichte beginnt mit: “Als die Engel von ihnen fort in den Himmel gegangen waren …” Und das ist dann der Augenblick, den wir immer wieder fürchten: Die Sekunde, die Stunde, der Tag danach … wenn alles vorbei ist! Die Engel sind weg! Der Traum platzt! Das Fest ist vorbei! Man schlägt hart wieder auf dem Boden der Wirklichkeit auf. Der Alltag hat einen wieder und ist so grau wie eh und je, wenn nicht gar noch etwas düsterer. Jedenfalls ist keine nachhaltige Veränderung zum Besseren greifbar.