In den Abschiedsreden nach Johannes versucht Jesus seine Jüngerinnen und Jünger vorzubereiten: Auf das Unvorstellbare, das in seinem Weg in den Tod geschehen wird. Auf Angst. Auf Trauer. Auf Verzweiflung. Es sind Reden voller Warnhinweise. So zum Beispiel jener in Johannes 16,20: „Amen, ich versichere euch: Ihr werdet jammern und weinen, und die Welt wird sich freuen. Ihr werdet traurig sein; doch ich sage euch: Eure Trauer wird sich in Freude verwandeln.“
Ich bin ein Angsthase! Vermutlich sieht man mir das nicht an. Ich gebe und fühle mich oft souverän, gelassen, zuversichtlich. Ich fühle die Angst selten. Aber das hat nicht damit zu tun, dass ich so mutig wäre. Sondern es liegt daran, dass ich Situationen, in denen ich Angst fühlen könnte, in denen ich an Grenzen kommen könnte, sorgfältig meide. Durch detaillierte Planung lange im Voraus. Indem ich darauf achte, nicht zu hohe Erwartungen zu wecken. Vermeidungstaktiker wie ich können sehr kreativ sein, wenn es darum geht, vorzugaukeln, dass man furchtlos sei. Wenn einem dann aber einmal das Heft aus der Hand rutscht und die Kontrolle verloren geht, dann ist die Angst da. Und wie! Ich bin dann wie gelähmt. Versuche mir Vertrauen und Glauben einzureden. Doch das kommt im Herzen nicht an.“
König Salomo weiht den Tempel in Jerusalem ein. Viele Generationen lang haben die Israeliten darauf gewartet. Die Einweihung ist eine grossartige Feier. Alles wird aufgeboten, was möglich ist. Es werden Reden gehalten. Symbolische Handlungen vollzogen. Gebete gesprochen. Man kann nicht hoch genug einschätzen, wieviel dieser Moment dem Volk Israel damals bedeutet hat. Der Bericht darüber bezeugt das; es gibt darin viele bedeutungsschwere Formulierungen. Vers 56 in 1.Könige 8 spricht mich an. König Salomo betet: „Gepriesen sei der Herr! Denn er hat seinem Volk Israel Ruhe geschenkt, wie er es versprochen hat. Wort für Wort hat sich erfüllt, was er durch seinen Knecht Mose verheißen hat.“
Irgendwo am See Genezareth in Galiläa findet ein Empfang statt. Die wichtigen Leute des Dorfes sind eingeladen, ‚natürlich‘ damals ausschliesslich Männer. Dabei ist auch Jesus, der vom Volk so gefeierte Wanderprediger. Man will die Gelegenheit nutzen, ihm ein wenig auf den Zahn zu fühlen. Gastgeber ist Simon, ein Pharisäer. Er ist ein wohlhabender und angesehener Mann. Man sagt ihm echte Frömmigkeit nach.
Plötzlich — der Hauptgang wurde gerade serviert — betritt eine Frau den Festsaal. Sie sucht Jesus und tritt von hinten an ihn heran. Er liegt, wie die anderen auch, auf die Ellbogen gestützt am Tisch. Die Füsse streckt er nach hinten aus.
Was will die Frau bloss hier? Merkt sie nicht, dass sie völlig fehl am Platz ist? Falls ja, ist es ihr egal. Jetzt hat sie ein Fläschchen in der Hand. Es sieht teuer aus. Wie Parfum. Was will sie damit? Ihre Hände zittern. Offenbar will ihr nicht gleich gelingen, was sie vor hat. Und das bringt sie aus der Fassung. Sie weint heftig. Ihre Tränen tropfen Jesus auf die Füsse …
Eine Predigt in drei Portionen, gehalten am 21.08.2022 in der EMK Adliswil
Portion I: Ein Ferienerlebnis
Die Ferienzeit ist vorbei. Morgen geht es wieder los! ® Vorfreude, aber auch Bammel: Was kommt auf mich zu? Schaffe ich es? Reicht meine Kraft? Finde ich Unterstützung, wo ich sie brauche? – Schöne Zusage: „Gott gibt den Müden Kraft und die Schwachen macht er stark“! – Wage ich es, mich darauf zu verlassen? Oder suche ich nach zusätzlichen Sicherheiten?
Neuanfang oder neue Runde wie eine Bergwanderung. — Ich erzähle von einer Wanderung, die wir in den Ferien gemacht haben.
Vor 40 Jahren: Ferien in Zinal mit Herkunftsfamilie. Tracuit-Hütte SAC am Weisshorn als Traumziel. Es kam damals nicht dazu. Mein Vater erwischte eine Sommergrippe. Meine Mutter traute sich die Wanderung mit uns Kindern nicht alleine zu (über 4 h Aufstieg; ~ 1700 m Höhendifferenz; Ziel auf über 3200 m). Ich war noch zu jung, um die Verantwortung für Mutter und jüngere Geschwister zu übernehmen. ® unerfüllter Traum
Vor 2½ Wochen mit WoMo nach Zinal gefahren, eigentlich eher zufällig. Dort erwachte der Traum, zur Tracuit-Hütte auf 3259 MüM zu wandern, wieder. Das Wetter war gut. Wir entschlossen uns, den Versuch zu wagen.
„Herr, gib mir Mut zum Brückenbauen!“ Das Lied, das wir gerade gesungen haben, löst Gegensätzliches aus in mir. Einerseits Zustimmung: Ja, ich möchte Brücken zwischen Menschen bauen können. Ich möchte zu Versöhnung, zu besserem Miteinander: beitragen können. Ich möchte mich auch selbst versöhnen. Und ganz sicher: Ja, dazu brauche ich Hilfe, Gottes Hilfe! Meine eigene Kraft und Kompetenz reicht nicht. Auf mich allein gestellt bin ich oft hilflos, wenn ich anderen zu Frieden helfen möchte. Erst recht, wenn ich mich selbst versöhnen möchte oder sollte. – Dabei ist doch genau dies der Anspruch an uns Christen. Wir selbst erwarten es von uns. Und andere fordern von uns: Wir sollen Botschafter und Förderer der Versöhnung sein (vgl. Schriftlesung aus 2. Ko 5,17–21). — Andererseits wehre ich mich gegen den Druck solcher Erwartungen: Es ist bekannt, dass Versöhnung Zeit braucht, viel Zeit. Vorschnelle Friedensschlüsse können fatal sein können, wenn der Konflikt unter der Oberfläche weitergärt. Und ich merke: Wo ich selbst in Konflikte verwickelt bin, kann (und will?) ich mich manchmal nicht versöhnen. Noch nicht. Weil die Verletzung noch zu sehr schmerzt. Weil das Vertrauen, dass es beim nächsten Mal gehen kann, nicht da ist. Noch nicht. Weil ich noch Zeit brauche.
Predigt am 03.07.2022 in der EMK Adliswil und in der Regenbogenkirche
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Liebe Gemeinde,
„uf d’Wirtschaft chunnt’s a, Löli!“ Besser bekannt ist dieses Zitat im englischen Original: ‚It’s the economy, stupid!“ So lautete das interne Motto im Wahlkampfteam Bill Clintons um die US-Präsidentschaft 1992. Gemeint ist damit: Gewählt wird vom Volk, wer die besten Chancen auf wirtschaftlichen Fortschritt und Mehrung des Wohlstands verspricht. Darauf wurde Clintons Kampagne ausgerichtet. Und tatsächlich: Obwohl zu Beginn des Wahlkampfs aussichtslos im Hintertreffen, wurde Bill Clinton klar zum Präsidenten gewählt. – Auf die Wirtschaft kommt es an. Sogar in so übersättigten Gesellschaften wie der us-amerikanischen oder auch der unsrigen.
Predigt am Pfingstsonntag, 05.06.2022 in der EMK Adliswil
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Liebe Gemeinde,
„bist Du eigentlich nicht mehr ganz bei Trost?“ – Es war kein gutes Zeichen, wenn meine Mutter mich das zu fragen müssen glaubte. Dann hatte ich etwas Unerlaubtes, Gefährliches oder Verrücktes vor … oder womöglich schon getan. Laut Duden bedeutet ‚nicht bei Trost sein: Verwirrt sein oder verrückt sein. Ich brauche die Redewendung kaum, würde direkter fragen: ‚Spinnsch eigentlich?‘ oder: ‚Het’s dir is Hirni gschneit?‘Als Redensarten geläufiger sind mir z.B.: Einen Sprung in der Schüssel haben; nicht ganz dicht sein; nicht alle Tassen im Schrank haben …. — Umgekehrt bedeutete ‚bei Trost sein‘: Klar sehen; bei klarem Verstand sein; rational denken können. Seit Jesus am Kreuz gestorben war, waren seine Jüngerinnen und Jünger nicht mehr bei Trost. Die Ostererscheinungen hatten zwar die Trauer überwunden, hatten sie trösten können. Aber sie blieben vorläufig verwirrt. Wie sollten sie sich in der neuen Situation orientieren? Sie blieben unsicher, wussten nicht recht, was und vor allem wie sie es tun sollten.
Input im Bezirkswochenende der EMK Adliswil-Zürich 2 am Sonntag, 22.05.2022
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Liebe Gemeinde,
vergangenen Sonntag bin ich mit vielen FCSG-Fans Zug gefahren. Es war ja der Cupfinal. Der ganze Zug war von grün-weiss bestimmt. Am Morgen waren die Leute voller Vorfreude. Die Atmosphäre knisterte, auf eine durchaus angenehme Weise. Am Abend war es dann ziemlich still. Der FCSG ist ja gegen den FC Lugano ziemlich untergegangen. Die Stimmung war aber auch da friedlich.
Was haben Fussball-Fans mit unserem Glauben zu tun? Kann man von ihnen etwas lernen im Blick auf ‘Feuer und Flamme’ sein? – Nun ja, Fussball-Fans (ich rede jetzt nicht von den ‘Ultras’) sind sehr begeisterungsfähig. Sie sind Feuer und Flamme für ihren Verein. Und sie bleiben ihm treu, auch in schwierigen Zeiten. – Eigenschaften, die Christen im Verhältnis zu ihrem Glauben genauso gut anstehen. Darüber hinaus bietet der Fussball allerlei Vergleiche für unser Glaubensfeuer.
Predigt in der EMK Adliswil am Sonntag, 08.05.2022
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Liebe Gemeinde,
wir haben den Predigttext aus Agp 17 eben gehört: Paulus ist in Athen. Zunächst geht er herum wie ein Tourist und sieht sich alles genau an. Er bleibt aber nicht distanzierter Beobachter, sondern geht auf die Sehenswürdigkeiten ein. Er ärgert sich über Götzenbilder und spricht Einheimische darauf an. Die finden es interessant, ihm zuzuhören und laden ihn ein, seine Gedanken auf dem Areopag, dem grossen Markplatz, vorzutragen. Dort hält der Apostel eine bemerkenswerte Rede. – Bemerkenswert, weil er nicht zuerst seinem Zorn über die Götzenbilder Luft macht. Sondern Paulus sucht und findet einen Anknüpfungspunkt: Den Altar für den unbekannten Gott. Von dort aus kann er die Gute Nachricht von Christus entfalten.